Wenn niemand mehr schwimmt

28.07.2019

Walter Freise gründete vor 130 Jahren eine Kaltwasser-Heilanstalt. Einen Ort, den sich die Natur seit 1996 wieder zurückholt.

Kaum vorstellbar, dass im 19. Jahrhundert die meisten Wohnungen über kein Badezimmer verfügten und man sich in öffentliche oder private Badeanstalten begab. 1887 gründete der Mediziner Dr. Walter Freise in Görlitz auf Haus Nummer 13 seine Kaltwasser-Heilanstalt.

"Eine Schwimmhalle"

Das Bad lag einerseits an der erst kurz zuvor angelegten Promenade, andererseits nur wenige Meter neben einer Nervenheilanstalt, die bereits Wannen-, Dampf- und Heißluftbäder angeboten hatte.

Im Gegensatz zu anderen Heilanstalten gab es im Freisebad eine Schwimmhalle, die sowohl für Nichtschwimmer als auch Schwimmer ausgerichtet war. 

Dazu gesellten sich Sole-, Fichtennadel-, Moor- und Kräuterbäder, ergänzt durch elektrische Licht- und Kohlesäurebäder.

"Der Untergang"

Nach dem Tod des Mediziners führte die Stadt im Sinne des Begründers das Freisebad weiter. Zuletzt gab es Dampfbad, Sauna, Duschen, Wannenbäder, ein Solarium und das Schwimmbad in dem roten Backsteinbau. Am 31.03.1996 wurden jedoch die Tore für immer geschlossen.

Seither steht das Haus leer. Einmal durfte es noch groß auftreten, als es nämlich u.a. als Filmkulisse für "Grand Hotel Budapest" dienen durfte.

"Der Lack ist ab"

Und heute. An einem Tag im Juli 2019. Heute steht eine Handvoll Fotografen in den ehrwürdigen Hallen mit den noch intakten Kacheln, jedoch tonnenweise abblätternden Lack. Es stinkt fürchterlich, mir nimmt es die Luft zum Atmen. Ich fühle mich unwohl. Wäre nicht der Reiz Lost Place Fotos zu schießen, wäre ich schnurtracks wieder rausgerannt.

"Geheimnisvolle Räume"

Viele kleine, im dunklen liegende Räume lassen fast nur ungehalten Einblicke in die einstige Heilwirkung zu. Es scheint, als wären wir als Gast nicht willkommen. Sich mühevoll durchzwängende, natürliche Lichtstrahlen erhellen bizarr die gespenstisch wirkende Lost Place Fotolocation. Tiefe Schatten huschen an mir vorbei, während mein Blick auf die bereits heruntergedonnerte Decke fällt. 

Unheimlich liegen die eng aneinander gereihten Umkleidekästen vor mir. Es scheint, als würden sie mit aller Gewalt die einstigen Geschichten verschleiern zu wollen.

"Nur noch ein Wunsch"

Von mir aus. Behalte dein Geheimnis. Behüte die Heilungserfolge, die hier eingetreten sind. Verschleiere die Misserfolge. Mir ist alles recht. Ich will hier nur noch raus. Und habe nur noch einen tiefen Wunsch - ich möchte den Film "Grand Hotel Budapest" mit dem Bad als Star sehen.

Eure Renate vom Lost Place Fotoworkshop mit Marek im Freisebad in Görlitz